22/07/2021 0 Kommentare
Blog 20: Stell Dir vor, Du lebst in der Wüste
Blog 20: Stell Dir vor, Du lebst in der Wüste
# Pilgerblog

Blog 20: Stell Dir vor, Du lebst in der Wüste
Wir alle wissen, wie wichtig Wasser für uns und unser Leben ist. Und wir sehen, was passiert, wenn wir zu wenig oder zu viel davon haben. Die erschreckenden Bilder der vergangenen Woche, insbesondere aus Rheinland- Pfalz und NRW, beweisen, wie gewaltig, mächtig und brutal das Wasser sein kann. Kaum zu glauben sind die Ausmaße der Zerstörung. Und absolut unfassbar ist, wie viele Menschen durch die Wassermassen ihr Leben verloren haben. Ein großes und trauriges Drama für alle Betroffenen, das uns hilflos zurück lässt.
Aber wir kennen auch die andere Seite, das genaue Gegenteil: die Wasserknappheit. In den vergangenen Jahren mussten wir erleben, was es bedeutet, wenn zu wenig Regen fällt und die Natur darunter leidet. Am Straßenrand, besonders an den Autobahnen, sehen wir viele vertrocknete und abgestorbene Bäume. Ein trauriges und alarmierendes Bild.
Mit Hochwasser haben wir an Spree und Havel zum Glück nicht so viel zu tun. Wir sind hier mit Wasser, Flüssen und Seen gesegnet. Und sie bieten uns unglaubliche und individuelle Ausblicke auf das Wasser und die Landschaften und schenken einmalige Eindrücke zu jeder Jahreszeit.
In vielen Ländern der Erde zeigt sich ein völlig anderes Bild: Das Wüstenland Saudi- Arabien besteht zu fast 95 % aus Wüste und hat im Gegensatz zu Deutschland keinen einzigen Fluss oder See. Unglaublich, oder?
Stellen Sie sich das mal vor: Ein Land ohne Flüsse und Seen! Besonders die großen deutschen Flüsse wie der Rhein, die Oder, die Elbe oder die Weser prägen unsere Städte und Landschaften. Ohne Flüsse und Wasser würden auch die Ausblicke auf die grünen Auen und die saftigen Wiesen fehlen. Viele Naturbiotope an den großen Nebenflüssen werden im Frühling und Herbst, -bei absehbarem Hochwasser- zu Oasen und willkommenen Rast- und Brutplätzen für Vögel und andere Tiere.
Was würde uns ohne das Wasser fehlen? Was wäre mit den Fischen und anderen Lebewesen aus den Flüssen, Bächen und Seen? Wo wären die Badestellen, die zu einer Erfrischung an einem heißen Sommertag einladen? Was wäre mit den tollen Schiffsfahrten auf Spree und Havel, die uns einen einmaligen Blick bieten? Das alles wäre verschwunden, stattdessen würde uns eine Stein- und Sandwüste mit wenig Leben und Vegetation erwarten.
Für mich ist das ein grausiger Gedanke. Was ist mit Ihnen: Können Sie sich ein Leben in einer solchen Wüste vorstellen? Sicher nicht!
Und doch kommt es vor, dass wir in einer solchen Wüste leben; nämlich dann, wenn uns der Lebensmut versiegt, wenn unsere Lebenslust und die Fröhlichkeit versandet sind und wir uns wie ausgetrocknet fühlen. Statt üppiger Natur, voller Farben und Leben, bleibt nur eine öde und dürre Landschaft. Um mich herum nur unüberwindbare Steine, trockene und heiße Luft, die mir in den Lungen und den Augen brennt. Das Klima, in dem ich mich bewege ist menschenfeindlich und ich fühle mich allein in der unüberwindbaren, großen Wüste, durstig nach Aufmunterung, Farbe, Leben und Lachen. Manchmal erahne ich vielleicht eine rettende Oase, die sich letztlich doch als eine Fata Morgana herausstellt. Und dann fühle ich mich noch einsamer.
Auch in der Bibel spielen viele Geschichten in der heißen und menschenverachtenden Wüste. Und mit diesen Gedanken bekommt die Aussage Gottes im Propheten Jesaja eine besondere Bedeutung, wenn er sagt: „denn ich will in der Wüste Wasser und in der Einöde Ströme geben, zu tränken mein Volk“. (Jesaja 43,20, Lutherbibel 2017)
Was bedeutet diese Aussage für uns Menschen, wenn wir allein und einsam, schutzlos und entmutig in unserer (Lebens-)Wüste stehen? Für mich ist es die Zusage darauf, dass Gott weiß, was ich brauche und ich mich auf ihn verlassen kann.
Auch das Volk Israel stand während seiner vierzigjährigen Wanderschaft von Ägypten ins Gelobte Land häufig durstig und ohne Schutz, verzweifelt und orientierungslos in der Hitze der Wüste. Dabei hat Gott sich immer wieder gezeigt, hat Wasser gegeben, Quellen geschenkt und sein Volk zu den kostbaren und reichen Oasen geführt.
Es ist derselbe Gott, der auch uns begleitet und mit uns geht. Er vergisst uns auch in der größten Hitze und Dürre nicht. Er vergisst uns auch in den aussichtlosesten Momenten nicht, lässt uns – sinnbildlich gesprochen – nicht im Regen stehen.“
Höchstens im Regen seines Segens und seiner Aufmerksamkeit. Und was bewirkt der Regen in der Natur nach langer Trockenheit? Richtig: Ein Aufblühen für Mensch und Natur!
Sommerliche Grüße sendet
Stefan Lemke

Stefan Lemke ist Diakon und Fachberater für die Arbeit mit Senior*innen in der Evangelischen Kirche in Charlottenburg- Wilmersdorf. Seine Freizeit verbringt er gern mit und in der Natur. Einmal monatlich bietet er eine Pilgertour im Berliner Umland an. In seinem wöchentlichen Blog schreibt er über Gedanken auf dem Weg.
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